DIE WELTMEISTERSCHAFT IN KATAR – EIN KOMMENTAR

In wenigen Stunden trifft in London die DFB-Elf in einem letzten Spiel vor der wohl umstrittensten Weltmeisterschaft auf England. Als Fußballfans werfen wir daher einen kritischen Blick auf die WM, deren Gastgeber und das kranke und käufliche System der FIFA:


Die anstehende WM in Katar – Ein Kommentar

Katar ist wie die Kulisse in einem Kinofilm. Mitten in der Wüste steigen gigantische Hochhäuser aus dem Sand empor, im Hafen von Doha ankern luxuriöse Yachten und klimatisierte Sportanlagen und Einkaufsmeilen lassen die 45 Grad Außentemperatur im Sommer schnell vergessen. Katar ist eines der reichsten Länder Welt. Das kleine Emirat hat rund 2,7 Millionen Einwohner. Über 2 Millionen davon sind Gastarbeiter. Mit seinen gigantischen Bauprojekten und seinem Luxus ist es das Land mit dem weltweit höchsten CO2-Ausstoß pro Kopf. Katar ist eine absolute Monarchie. Es gibt keine Gewaltenteilung, kein Parlament, keine freie Presse und das Recht auf freie Meinungsäußerung ist stark eingeschränkt. Staatsreligion ist der Islam. Homosexualität steht unter Strafe. Männer und Frauen sind nicht gleichberechtigt. Bis heute ermitteln Staatsanwaltschaften aufgrund des Verdachts der Korruption bei der Vergabe für die WM 2022.

Die ausländischen Arbeiter in Katar werden ausgebeutet und sind oftmals unter unmenschlichen Bedingungen untergebracht. Ca. 6.500 Gastarbeiter sind im Zuge des Baus der Stadien für die WM in Katar gestorben. Eine Auflehnung gegen dieses System ist kaum möglich. Bereits bei der Ankunft bekommen die Arbeiter ihre Pässe von den Arbeitgebern abgenommen. Sie haben so die volle Kontrolle über die Rechte der Arbeiter. Auf die Lohnzahlungen sind die Arbeiter aber angewiesen, um ihre Familien in der Heimat zu ernähren.

Doch wie kann es zu so einem ausbeuterischen System überhaupt kommen und warum steht Katar so in der Öffentlichkeit?

Katar verspricht sich von der Ausrichtung von Sportgroßereignissen, wie der Leichtathletik-WM 2019 oder der Fußball-WM 2022, einen Imagegewinn sowie nationale Sicherheit. Katar ist umklammert von Saudi-Arabien und dem Iran. Um einem militärischen Einmarsch dieser mächtigen Nachbarn vorzubeugen, lenkt Katar durch Sportgroßereignisse das Interesse der Weltöffentlichkeit auf sich. So wird ein Bewusstsein für das kleine Land geschaffen. Darüber hinaus versucht Katar über solche Großereignisse seinen Einfluss in der Region zu steigern.

Für diese Ziele hat Katar eine Art Masterplan: Es hat sich über die Jahre Verbündete in aller Welt gesucht. Im Land ist ein großer US-Militärstützpunkt. Katar hält große Anteile an Firmen, wie VW, Siemens und der Deutschen Bank. Der FC Bayern ist Premiumpartner, dem Emirat freundschaftlich sehr verbunden und hält dort jährlich sein Trainingslager ab. Selbst die FIFA meldet: „The FIFA World Cup 2022 will build a lagacy that contributes both to FIFA’s vision and Qatar’s national development goals.“ Die FIFA ist also auch längst Partner und Imageträger für das Emirat.

Und genau hier zeigt sich die Widersprüchlichkeit der Fußball-WM 2022: Sie soll zwar ein interkulturelles und verbindendes Fußballfest werden. Doch sie ist auf dem Rücken von Millionen ausgebeuteter Arbeiter erbaut. Ihr Ausrichter ist ein Land, das so gar nicht für Toleranz, Offenheit, Gleichberechtigung, Fairness und vor allem Menschenrechte steht. Die Werte, die die FIFA fördern möchte, gelten in Katar kaum. Stattdessen macht sich die FIFA für viel Geld zum Werbeträger des kleinen Emirats – und verkauft dafür ihre eigenen Werte.

Nach internationalem Druck ist Katar zwar im Wandel und es wurden Reformen auf den Weg gebracht. Doch Amnesty International legte in einem Bericht Ende März 2021 erneut dar, dass die Reformen kaum umgesetzt und die Gastarbeiter weiter ausgebeutet werden. Die FIFA hat sich zwar selbst zu den Menschenrechten verpflichtet, setzt diese aber im Falle Katars offensichtlich aus.

Je näher das Turnier rückt, desto größer wird das weltweite Interesse daran. Laut einer Umfrage finden 83 % der Deutschen die WM-Vergabe an Katar falsch und 68 % würden sogar einen Boykott befürworten. Zu einem Boykott einzelner Fußballverbände ist es zwar nicht gekommen, aber selbst die chronisch unbeliebte deutsche Nationalmannschaft hat schon mit Protestaktionen geäußert.

Der DFB ist der größte nationale Sportverband der Welt und damit wichtiges FIFA-Mitglied. Er hält sich mit Kritik an der WM in Katar bis jetzt zurück – kein Wunder, auch die Vergabe für die WM 2006 nach Deutschland war von Korruptionsvorwürfen überschattet. Der DFB passt also ziemlich gut in das intransparente und korrupte System der FIFA, bei dem es bei Weitem schon nicht mehr um die allgemeine Förderung eines fairen Fußballwettbewerbs, sondern eben um viel Geld und persönliche Interessen geht.

Wenn der DFB in die Diskussion und die Kritik um Katar einsteigen oder sich klar positionieren würde, könnte er aber weltweiter sportlicher Vorreiter für den Kampf für Menschenrechte sein, sein eigenes Profil schärfen und dadurch auch das Image des deutschen Fußballs aufbessern, der zweifellos ein großes Imageproblem hat. Doch der DFB hält sich zurück. Er ist gefangen in dem System FIFA und das Emirat hat über den FC Bayern längst den gewichtigsten Premiumpartner beim DFB – gerade der FC Bayern ist es auch, der jegliche Kritik am Emirat ohnehin im Keim erstickt. Der DFB ist also ein Abbild der FIFA. Geld und Macht sind ihm wichtiger als Werte und Nachhaltigkeit. Imageproblem und volle Geldtaschen werden dadurch noch größer.

Was kann man also als Fan noch tun?

Der Boykott der WM als Fußballfan ist unausweichlich. Aber gleichfalls können wir Fans Druck auf unsere Vereine ausüben, um zu zeigen, dass der deutsche Fußball mehr ist als das Abbild eines korrupten, maroden und intransparenten FIFA-Systems. Die Vereine können sich klar positionieren – und dann muss es auch ihr Dachverband; auch über einen FC Bayern hinweg. Das Beispiel Norwegen hat gezeigt, dass eine vereinsübergreifende Diskussion auf Verbandseben über die WM 2022 möglich ist. Dafür muss die Kritik nur noch lauter werden – über unsere Vereine oder direkt gegen den DFB.